Die Eroberung eines Fachgebiets
Entdecker & Experten der Trilobitenkunde und ihre WegbereiterSeit ihrer erstmaligen schriftlichen Erwähnung haben die Trilobiten die Naturkundler interessiert und fasziniert. Manche von ihnen wurden selbst zu Suchenden, zu Entdeckern und Namensgebern neuer Spezies, andere zu lebenden Legenden der Trilobitenforschung, sehr oft beides zugleich. Diese Seite ist eine Hommage an einige der wichtigsten und verdientesten unter ihnen - die stellvertretend für unzählige andere stehen - sowie aktive Arbeiter die die Fackel weitertragen! Die Geschichte der Trilobiten ist nicht vollständig ohne die Namen derjenigen, die ihr Leben diesen Geschöpfen des Erdaltertums gewidmet haben, sowie ihren früheren Wegbereitern, zumeist Universalgelehrten auf dem Gebiet der Naturforschung, ohne die eine nähere und objektive Betrachtung des Sachgebiets gar nicht möglich gewesen wäre
Alexander von Humboldt (1769-1859) Deutscher Naturforscher und Mitbegründer der Geographie als empirischer Wissenschaft. Seine Forschungsreisen führten ihn über Europa hinaus nach Lateinamerika, in die USA sowie nach Zentralasien. Wissenschaftliche Feldforschung betrieb er persönlich u. a. in den Bereichen Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie, Botanik, Zoologie, Klimatologie, Ozeanographie und Astronomie, aber auch zu Fragen der Wirtschaftsgeographie, der Ethnologie und der Demographie. Ein Universalgenie und vermutlich der einzige wirklich weltweit bekannte deutsche Wissenschaftler. Er war Wegbereiter Darwins, der ihn hoch verehrte, und leistete unverzichtbare Vorarbeit für eine Unzahl an Forschungsbereichen, mit denen sich die heutige Wissenschaft auseinandersetzt. Sein größtes Werk "Kosmos- Entwurf einer physischen Weltbeschreibung" beweist schon im Titel daß von Humboldt sich - trotz seiner großen Leistungen - darüber im Klaren war daß er noch weit davon entfernt war die letzten Wahrheiten gefunden zu haben. | Joachim Barrande (1799-1883)Französischer Naturwissenschaftler und Paläontologe, ein Pionier der Fossilienforschung. Ursprünglich von Beruf Ingenieur, entdeckte er 1832 bei den Vorarbeiten zu einem geplanten Bauprojekt zwischen Prag und Pilsen bei Skryje durch Zufall fossile Reste von Trilobiten. Diese erschienen ihm weitaus besser erhalten als die, welche ihm aus anderen Ländern wie England bekannt waren. Barrande faßte den Entschluß, sich zukünftig mit der Erforschung der fossilen Fauna Böhmens zu beschäftigen. Barrande beschrieb in 22 großartigen Bänden über die Silur-Formation unzählige Trilobiten, Ammoniten, Brachiopoden und Muscheln. Bis zu seinem Tod hatte er mehr als 3.500 neue Arten bestimmt und benannt. Noch heute ist seine Fossiliensammlung in Prag das Ziel von Paläontologen aus aller Welt und seine Leistung, das Alter von Gesteinsschichten anhand der in ihnen vorkommenden Leitfossilien, im speziellen Trilobiten, zu bestimmen, wird bis zum heutigen Tage gewürdigt. | Alfred R. Wallace (1823-1913)Britischer Naturwissenschaftler und Zoologe. Unabhängig von Charles Darwin erarbeitete Alfred Russel Wallace die Evolutionstheorie. Er bereiste von 1848 bis 1852 das Amazonasgebiet, besuchte den Malaiischen Archipel und betrieb umfangreiche Studien. Er teilte die tierischen Bewohner des Malaiischen Archipels durch die Wallace’sche Linie zwischen Bali und Lombok in ein asiatisches und australisches Tierreich. Wallace gilt als Wegbegleiter der Abstammungslehre, hat aber zu Unrecht nie den Bekanntheitsgrad Darwins erreicht, obwohl er Darwin letztlich in manchen Bereichen voraus war und dieser seine Erkenntnisse nutzte. Er war ein großherziger Mensch, dem Neid ein Fremdwort war. Seine unter Laien mangelhaft gewürdigten aber unbestrittenen Leistungen und die sich daraus ergebenden Implikationen auch für die Paläontologie qualifizieren ihn für eine Nennung auf unserer Seite, auch wenn er sich mit Fossilien nur am Rande beschäftigt haben mag. | Charles D. Walcott (1850-1927)Amerikanischer Wissenschaftler. Trotz fehlendem geologischen Grad wurde er aufgrund seiner Fähigkeiten Direktor sowohl des "U.S. Geological Survey", der "Smithsonian Institution" und der "National Academy of Sciences". Er war begeisterter Trilobitensammler und gab Dutzenden von ihnen Namen, die fortan als Leitfossilien für Kambrium-Schichten auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent dienten. Berühmt ist er insbesondere für die Entdeckung des kambrischen Burgess-Schiefers in den kanadischen Rocky Mountains im Jahre 1909, der sich durch einzigartige Fossilien mit Weichteilerhaltung auszeichnet. Walcott entdeckte in der Folge zwei Fundstätten zwischen Mount Wapta und Mount Field. Während der nächsten Jahrzehnte publizierte er viele Beschreibungen der Burgess-Fossilien, eine Leistung, die auch durch seine später nachgewiesenen Mißinterpretationen kaum geschmälert werden sollte. | Rudolf Kaufmann (gest. 1941)Deutscher Trilobitenforscher. Durch seine Untersuchung von spätkambrischen Alaunschiefern in Schweden, die als "Kondensationshorizont" eine nahezu lückenlose Abfolge sedimentärer Ablagerungen samt fossilen Einschlüssen enthalten, konnte Kaufmann am Beispiel der Trilobitenarten von Olenus durch die beobachteten Wechsel der Arten und Veränderungen der Morphologie eine allopatrische Artbildung auch bei Trilobiten nachweisen. Kaufmann gehört zu den vergessenen Helden der Trilobitenforschung. Von Geburt Jude war er jahrelang auf der Flucht vor den Nationalsozialisten, wurde inhaftiert und blieb getrennt von seiner schwedischen Lebensgefährtin Inge, die er nie wieder sehen sollte. Er schlug sich nach Litauen durch, wo er 1941 in Kaunas auf eine Gelegenheit hoffte, nach Schweden zu entkommen. Zwei Sicherheitsbeamte, die ihn zufällig erkannten, erschossen ihn. | Rudolf Richter (1881-1957) & Emma Richter (1888-1956)Nach Absolvierung des Gymnasiums studierte Rudolf Richter in München und Marburg Geologie und verwandte Naturwissenschaften. Seit 1932 war er geschäftsführender Direktor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und des Natur-Museums Senckenberg. Er leitete das Geologische Institut bis 1952, blieb jedoch an der Spitze der geologisch-paläontologischen Abteilung des Museums bis zu seinem Tod. Rudolf Richter hat, oft zusammen mit seiner Frau Emma, maßgebliche Beiträge zur Trilobitenkunde geleistet, bedeutende Werke verfaßt, zahllose Spezies beschrieben und zum allgemeinen Verständnis der Klasse erheblichen Beitrag geleistet. Man kann das Lebenswerk Rudolf Richters nicht darstellen, ohne gleichzeitig des Anteils seiner Frau zu gedenken. Sie starb nur wenige Wochen vor ihrem Gatten. Richters Bedeutung für die deutsche Trilobitenkunde kann ohne Übertreibung mit den Leistungen Whittingtons und Forteys gleichgesetzt werden. | Martin Basse (geb. 1960) Martin Basse ist als ehrenamtlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg tätig und steht mit seinen Arbeiten über das Devon der Eifel und anderer Regionen in einer Linie mit den Richters und Wolfgang Struve. Zu seinen populärsten Arbeiten zählt unzweifelhaft die Reihe über die Eifel-Trilobiten, von der bereits vier Bände erschienen sind. Seine Beiträge zur stratigraphischen Neugliederung und den Korrelationen des Mitteldevons im Eifel/Givet-Grenzbereich sind ebenso zu nennen. Vor kurzem begann er mit einer kritischen Bestandsaufnahme der Trilobiten-Bestände des Naturmuseums. Besonders hervorzuheben ist aber, daß er mit seinen Arbeiten eine Senckenberg-Tradition aufrecht erhält und der Notwendigkeit zur Revision zahlreicher Taxa der Eifel Rechnung trägt - ein Verdienst, das gegenwärtig von kaum einem anderen deutschen Trilobitenkundler in Anspruch genommen werden kann. Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Basse. Danke! :-) | Stephen J. Gould (1941-2002)Amerikanischer Paläontologe und Publizist. Gould war einer der Begründer der "Punctuated Equilibrium"-Theorie. Er argumentierte, dass gewisse Veränderungen in der Entwicklung von Lebewesen schnell erfolgen mussten (diskontinuierlich), damit sie von der natürlichen Selektion erhalten werden konnten. Unter seinen Werken findet sich Wonderful Life: The Burgess Shale and the Nature of History, das weithin zu Kontroversen führte, da Gould von Walcotts Ansatz einer unumschränkt linearen Entwicklung in der Biologie Abstand nahm und dem Zufall eine große Bedeutung beimaß. Obwohl er sich nicht speziell mit Trilobiten beschäftigte, trug er als Evolutionsbiologie enorm zu ihrer Bedeutung bei. Er verteidigte die Darwinsche Evolutionstheorie gegen die Angriffe des Kreationismus und war bis zu seinem Tod durch Krebs, den er 20 Jahre lang bekämpft hatte, eine immer gehörte Stimme in Literatur und Tagespresse. |
Harry B. Whittington (1916-2010)
Britischer Paläontologe. Während seiner langen Karriere an den Universitäten von Harvard und Cambridge hat Harry B. Whittington, wie kein anderer, immense Beiträge zur Kenntnis über die Morphologie, Ökologie und Evolution der Trilobiten geleistet. Er gilt zurecht als der große alte Mann der Trilobitenforschung, bei dem Doktoranden wie Fortey und andere studierten. Zu seinen großen wissenschaftlichen Leistungen zählt seine Führungsrolle bei der Erforschung der einzigartigen Fauna des Burgess-Schiefers als Spiegelbild der "kambrischen Explosion". Bereits in den 50er Jahren verfaßte er dazu detaillierte und wegweisende Beschreibungen. Als Mitverfasser der Treatise von 1997 behielt Harry B. Whittington bis in die Gegenwart maßgeblichen Einfluß auf die Trilobitenkunde. Bis zu seinem Tod in 2010 blieb er Emeritus Professor an der Universität von Cambridge. | Brian D. E. Chatterton (geb. 1943)Kanadischer Paläontologe. Professor Brian D. E. Chatterton gehört gegenwärtig zu den führenden Wissenschaftlern im Bereich der Trilobitenforschung. Er ist an der Universität von Alberta in Kanada tätig und beschäftigt sich vorwiegend mit der Ontogenese, der evolutionären Entwicklung als auch der Systematik der Trilobiten. Er arbeitete mit Größen wie Fortey und Edgecombe zusammen und errichtete zusammen mit dem Erstgenannten im Jahre 1988 die Ordnung der Asaphida (Fortey, R.A. and Chatterton, B.D.E. 1988. Classification of the trilobite suborder Asaphina. Journal of Paleontology, 31, 165-222.) In der revidierten Treatise von 1997 verfaßte er die Abteilung über die Ontogenese der Trilobiten und ist damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine der bestimmenden Persönlichkeiten im Bereich der Trilobitenforschung insgesamt. In naher Zukunft sind von ihm einige Arbeiten über marokkanische Taxa zu erwarten, die dringend der Revision bedürfen. Image used courtesy of Brian Chatterton. Thank you! | Richard A. Fortey (geb. 1946)
Britischer Paläontologe. Im zarten Alter von 14 Jahren fand Richard Fortey seinen ersten Trilobiten. Seit diesem Tag hat er sich der Erforschung und Klassifizierung der Trilobiten, speziell der ordovizischen, mit Haut und Haar verschrieben. Er verfaßte zahlreiche Abhandlungen und mehrere Bücher über Paläontologie (Life: An Unauthorised Biography, 1997) und Trilobiten im speziellen (The Trilobite Exoskeleton, 1999; Feeding Habits in Trilobites, 1999; Trilobite!, 2000). Über 150 neue Spezies wurden von ihm identifiziert und benannt. Seine Systematiken der Trilobitenordnungen sind maßgeblich und richtungsweisend. Professor Richard A. Fortey war lange als führender Paläontologe im Department of Palaeontology, The Natural History Museum in London tätig und bleibt weiterhin eine der entscheidenden Autoritäten auf dem Gebiet der Trilobitenkunde. Image used courtesy of Richard Fortey. I appreciate this! | Gregory D. Edgecombe (geb. 1964)In Kanada gebürtig ist Greg Edgecombe gegenwärtig im Bereich Paläontologie am Australian Museum in Sydney tätig. Seine Forschungsschwerpunkte im Sektor Trilobiten liegen vor allem auf der Ontogenese und systematischen Diagnose ordovizischer, silurischer und devonischer Trilobiten, speziell aus Australien und Südamerika. Hervorzuheben sind seine Arbeiten zur Positionsbestimmung der Klasse Trilobita innerhalb des Arthropodenstammes (Edgecombe, G.D. and Ramsköld, L. 1999. Relationships of Cambrian Arachnata and the systematic position of Trilobita. J. Paleont., 73-2, 263-287; Scholtz, G. and Edgecombe, G.D., Heads, Hox and the phylogenetic position of trilobites.) Mit Brian Chatterton et al. verfaßte er weitere wichtige Aufsätze, die wesentlich zum Verständnis der Trilobita beigetragen haben. Image provided by and used courtesy of Gregory D. Edgecombe. Thanks, Greg! ;-) | Bruce S. Lieberman (geb. 1966)Amerikanischer Paläontologe. Bruce Lieberman ist an der Universität von Kansas in Lawrence als Associate Professor tätig. Kenner der Materie werden sich erinnern daß diese Universität die Treatise verlegt! Seine Arbeit umfaßt die Erforschung von makroevolutionären Abläufen, wobei die Rekonstruktion von phylogenetischen Mustern bei den Arthropoden und hier insbesondere bei den Trilobiten einen großen Raum einnimmt. Zusammen mit Edgecombe, Eldredge, Adrain, Kloc und anderen war er maßgeblich an bedeutenden Arbeiten zur Trilobitenkunde beteiligt. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit bedeutenden Themen wie der Plattentektonik und dem Klimawandel im Laufe der Erdgeschichte, wobei ihm die Erforschung der Radiation (Ausbreitung) der Trilobiten im Paläozoikum wichtige Hinweise liefert. Bruce Lieberman ist definitiv jemand, der nach dem "big picture" Ausschau hält und die Dinge in einem größeren Zusammhang sieht. Image used courtesy of Bruce Lieberman. Thanks! | Gerald J. Kloc (geb. 1948)
Amerikanischer Paläontologe. Gerry Kloc ist als Geological Technician in der Abteilung Earth and Environmental Sciences an der Universität von Rochester im US-Bundesstaat New York tätig. Trilobiten sind eine seiner größten Leidenschaften. Er ist ein hervorragender Präparator und hat speziell im Hinblick auf die Trilobitenfauna im Staate New York wichtige Beiträge geleistet. Er ist, zusammen mit Tom Whiteley und Carlton Brett Mitautor eines entsprechenden Bildbandes (Trilobites of New York). In Zusammenarbeit mit Bruce Lieberman konnte er im Jahre 1997 ein gutes Dutzend neue Gattungen aufstellen, z. B. Coltraneia und Phillipsmithiana (LIEBERMAN, B.S. & KLOC, G.J. 1997. Evolutionary and biogeographic patterns in the Asteropyginae (Trilobita, Devonian) Delo, 1935. Bulletin of the American Museum of Natural History 232: 1-127.) Image provided by and used courtesy of Gerry Kloc. Thanks a lot! |
Letzte Aktualisierung:
Donnerstag, 31.01.2019 14:31
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