Was sind Trilobiten ?
Diese Frage wäre bei dem beliebten Fernsehquiz "Wer wird Millionär" im hohen Gewinnbereich sicher außerordentlich gut aufgehoben, denn die wenigsten Menschen können mit dem Begriff auf Anhieb etwas anfangen (nicht einmal Günter Jauch <g>). Für gewöhnlich werden Sammler, wenn sie auf ihr Hobby angesprochen werden oder von diesem berichten, mit irritiert fragenden Blicken konfrontiert. Diesem unhaltbaren Zustand müssen und wollen wir abhelfen. Deshalb hier die Mindestanforderungen für einen durchschnittlichen Bildungsbürger:
Trilobiten sind oberseitig gepanzerte, in ihrem Körperbau gegliederte Tiere, die bis vor ca. 250 Millionen Jahren in den Meeren des Planeten existierten, und die Ökologie und das Leben in den Ozeanen der Vorzeit maßgeblich mitbestimmten. Sie starben bereits aus, lange bevor die weitaus bekannteren (und vor allem bei Kindern äußerst beliebten) Dinosaurier die Erde eroberten, und sind heute Leitfossilien für das Paläozoikum oder Erdaltertum. Der Beginn des Paläozoikums markiert den ersten Zeitabschnitt, für den die weltweite Ausweitung bereits hochentwickelter, komplexer Lebensformen nachgewiesen werden kann - Lebensformen, die nach Meinung führender Wissenschaftler jedoch lediglich eine urzeitliche Momentaufnahme der schon damals fortschreitenden Evolution darstellen.
Die Trilobiten gehörten zu den ersten hartschaligen Arthropoden oder Gliederfüßern, einem Tierstamm mit gegliedertem Körperbau und vielen koordiniert arbeitenden Beinen (die zusammen mit den Antennen der Tiere aufgrund ihrer Beschaffenheit leider fast nie fossil erhalten geblieben sind; Ausnahmen sind z. B. die Fundstätten Burgess Shale in British Columbia, Chenjiang in China oder der Hunsrückschiefer, die aufgrund besonderer Umstände auch eine Pseudoweichteilerhaltung aufweisen können). Sie bilden die ausgestorbene Klasse der Trilobita, bestehend aus heute neun anerkannten Ordnungen, über 150 Familien, über 5.000 Gattungen und mehr als 15.000 beschriebenen Arten oder Spezies (Stand: 2002). Da es keine direkten Nachkommen der Trilobiten gibt, geht die oftmals benutzte und häufig selbst in aktuellen Lexika zu findende Bezeichnung "Urkrebs" absolut fehl. Als nächste Verwandte gelten die rezenten Limulidae.
Erstmalige Erwähnung: Im Jahre 1698 beschrieb ein britischer Geistlicher, der Reverend Dr. Edward Lhwyd, zum ersten mal ein Fossil, das er für die Überreste einer Art von Plattfisch hielt, und erwähnte diese Einschätzung auch in einem Brief an seinen Freund Martin Lister. In Kalksteinen bei der südwalisischen Stadt Llandeilo war er auf eine große Anzahl dieser "Plattfische" gestoßen, die er auch skizzierte (siehe Abb. rechts). Wie sich jedoch bald herausstellte, handelte es sich nicht um irgendeine Art schnöder Urzeit-Scholle, sondern um einen neuen, bislang weitgehend noch unbekannten Typus von Versteinerungen ehemaliger Meeresbewohner. Der "Plattfisch", der in den ordovizischen Gesteinen von Wales gehäuft auftritt, entpuppte sich später als Überrest eines Geschöpfes, das als "Trilobit" bekannt werden würde, und bekam 1822 den wohlklingenden Namen Ogygiocarella debuchii (Für die Freunde der griechischen Mythologie: Der Trilobit ist benannt nach Ogygia, der siebten Tochter von Amphion und Niobe, nicht nach der gleichnamigen Insel, auf der der tapfere Odysseus der sinnlichen Nymphe Calypso sieben Jahre lang seines Manneskraft bewies).
Nach der Entdeckung weiterer Fossilien dieser Art - bald stieß man, nachdem man erst einmal gezielt danach suchte, auf immer mehr dieser ungewöhnlichen Versteinerungen - und insbesondere nachdem man im darauf folgenden Jahrhundert erkannt hatte, daß es sich um eine eigene Klasse ausgestorbener Lebewesen handelte (WALCH, 1771), avancierten die Trilobiten schnell zu bedeutender Stellung und erregten weitläufiges Interesse innerhalb der Gemeinde der Naturforscher. Noch wichtiger: Man konnte sie als Indikatoren für die Altersbestimmung von Gesteinsschichten benutzen!
Über 300 Jahre nach ihrer erstmaligen schriftlichen Erwähnung werden, vor allem im nördlichen Afrika, auch heute noch jedes Jahr bislang unbekannte, neue Arten gefunden und bestimmt. Dies macht die Trilobiten zu einer der divergentesten Gruppen unter allen ausgestorbenen Lebewesen, und innerhalb des grundlegenden Bauplans der Trilobiten gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Größe und Form.
Obwohl die Dinosaurier als Fossilien wohl am bekanntesten sind, gehören die Trilobiten doch mit zu den Lieblingsobjekten, mit denen sich die Paläontologie oder Lehre von den Lebensformen früherer Erdperioden beschäftigt. Die von ihnen ausgehende Faszination hat kaum jemand besser beschrieben als der Autor eines der Standardwerke über Trilobiten: "Trilobites tell me of ancient marine shores teeming with budding life, when silence was only broken by the wind, the breaking of the waves, or by the thunder of storms and volcanoes. The struggle of survival already had its toll in the seas, but only natural laws and events determined the fate of evolving life forms. No footprints were to be found on those shores, as life had not yet conquered land. Genocide had not been invented as yet, and the threat to life on Earth resided only with the comets and asteroids." - Riccardo Levi-Setti
Enorme Vielfalt: Der kleinste bekannte Trilobit ist gerade mal knapp einen Millimeter groß (Acanthopleurella sp.), während die größten mehr als 70 Zentimeter lang wurden (Isotelus rex). Angesichts einer solchen Vielfalt an Form und Größe kann man darüber spekulieren, welche ökologische Rolle die verschiedenen Trilobiten-Arten einnahmen, die sich vermutlich sowohl als Plankton als auch schwimmend oder auf dem Sediment kriechend fortbewegten und ihren Lebensunterhalt wahrscheinlich sowohl als Sedimentfiltrierer, Aasfresser oder auch Beutejäger "verdienten".
Die meisten Trilobiten waren einige Zentimeter lang, und ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer Attraktivität für Paläontologen und Sammler ist wohl der Tatsache zuzuschreiben, daß man aus diesem Grund ein komplettes Fossil auf der Fläche einer Hand halten und ausgiebig begutachten kann. Versuchen Sie das mal mit einem durchschnittlichen Saurierskelett! ;-)
Der allgemeine Trilobiten-Bauplan
Unabhängig von ihrer Körpergröße und jeweils eigenen äußeren Form - viele Trilobiten haben ein gänzlich anderes, und bisweilen weitaus spektakuläreres äußeres Erscheinungsbild als unsere schematische Darstellung, zahlreiche Beispiele dafür sind in unserer Galerie zu finden - besitzen alle fossil erhalten gebliebenen Trilobiten einen ähnlichen, wenn nicht identischen Aufbau.
Der kalzifizierte (durch Mineralisierung gehärtete) Panzer besteht dabei aus drei Hauptbestandteilen: Dem Cephalon (Kopfschild), einem gegliederten Thorax (Oberkörper) und dem Pygidium (Schwanzschild), wie hier dargestellt. Form und Größe des Cephalons, die Anzahl der Thoraxsegmente sowie die Ausgestaltung und Größe des Pygidiums variieren von Art zu Art, dieser Grundaufbau ist jedoch klassenübergreifend vorhanden.
Populärer Irrtum: Der Name "Trilobit" (drei Lappen) bezieht sich entgegen weitläufiger Meinung aber nicht auf die vorgenannten drei Hauptbestandteile, sondern auf die Tatsache, daß alle Trilobiten einen langen, mittleren Axial-Lobus (Rhachis) besitzen, der durch - in der Regel - deutlich sichtbare Furchen von den seitlich liegenden Pleural-Lobi abgegrenzt wird, wie rechts dargestellt. Diese insgesamt drei Bereiche, die sich vom Cephalon bis zum Pygidium erstrecken, sind das, was dem Trilobiten seinen Namen gibt, und sind allen Trilobitenarten eigen, trotz ihrer sonstigen Vielfalt an Form und Größe. Zwar haben manche Trilobiten im Laufe der Evolution eine Morphologie entwickelt, die diese Dreiteilung nur noch bedingt erkennen lässt (z. B. Homanolotus, der eher einem großen Wurm gleicht), dabei handelt es sich aber lediglich um ein Effacement, sprich eine Abschwächung und Verflachung der morphologischen Eigenheiten im Zuge der Anpassung an den jeweiligen Lebensraum, an Ernährungs- und Umgebungsbedingungen.
Die seitlichen Lobi werden im Bereich des Thorax aus den sogenannten Pleuren gebildet, die gegeneinander äußerst beweglich sind, und es vielen Trilobiten ermöglichten, sich bei Gefahr zusammenzurollen. Die zumeist spitz zulaufenden Fortsätze des Kopfschildes werden, insoweit vorhanden, als Wangenstachel bezeichnet. Insofern ein Trilobit, wie in dieser schematischen Darstellung gezeigt, über ausgeprägte Fortsätze der Pleuren verfügt, so werden diese Pleuralstachel genannt.
Namensgebung: Die Bezeichnung "Trilobitae" (später abgewandelt zu "Trilobita") wurde 1771 von dem deutschen Professor Johann Ernst Immanuel Walch (* 29. August 1725 in Jena; † 1. Dezember 1778 in Jena; deutscher Theologe und Geologe) erstmals eingeführt, doch erst am Anfang des 19. Jahrhunderts setzte sich dieser Begriff in der Paläontologie allgemein durch (WALCH, J.E.I. 1771. Die Naturgeschichte der Versteinerungen zur Erläuterung der Knorrischen Sammlung von Merkwürdigkeiten der Natur. Nürnberg). Der Schwede G. Wahlenberg schlug 1821 den Namen "Entomostracites" als Klassenbezeichnung vor, sein Landsmann J. W. Dalman bevorzugte noch fünf Jahre später die Bezeichnung "Palaeades", aber Walchs Begriff, der sich auf die auffällige axiale Einteilung der Tiere bezog, wurde dennoch Teil der gültigen Nomenklatur.
Nähere und detailreichere Beschreibungen des Trilobitenpanzers finden Sie auf der Unterseite Morphologie. |